Annette Behnken: „Die Vielschichtigkeit des Lebens ist mein Impuls“ – ein Gespräch

Annette Behnken – Kurzvorstellung: „Ich habe Theologie studiert und lebe mit meinem Mann Gunnar Spellmeyer und unserer Patchworkfamilie in der Nähe von Hannover“. (Foto: Patrice Kunte)

Was machst Du beruflich, wo liegt dabei der Fokus? 

Ich habe die wunderbare Möglichkeit, verschiedene berufliche Schwerpunkte zu setzen, das bedeutet eine große Vielfalt von Themen und Arbeitsfeldern, was ich sehr anregend und lebendig finde, manchmal ist es aber auch anstrengend, darin den Überblick zu behalten. Ich war viele Jahre als Gemeindepastorin tätig, habe also Menschen in besonderen Lebenssituationen seelsorglich begleitet und gerne Formate entwickelt, die Menschen ansprechen, die religiös interessiert oder suchend sind, aber mit Kirche etwas fremdeln. 

Dazu schreibe und spreche ich Morgenandachten für das Radio, für NDR Kultur/NDR Info und bin im Team der Sprecher*innen des Wort zum Sonntag, das samstags nach den Tagesthemen in der ARD läuft. In der Evangelischen Akademie Loccum bin ich als Studienleiterin tätig und konzipiere und leite Tagungen, die mit Religion, Spiritualität, Kunst und Kultur zu tun haben.

In welchem Bereich fühlst du Dich am wohlsten und warum? 

Das kann ich gar nicht auf einen Arbeits-Bereich konzentrieren. Ich mag es sehr, zusammen mit anderen Menschen durch Begegnung und zwar die Begegnung sowohl miteinander, als auch mit Kunst, Literatur, inhaltlich packenden oder bewegenden Themen, Musik … zu erleben, wie unser Denken und Empfinden sich öffnet oder wandelt, wie manchmal eine ganz dichte Atmosphäre entsteht und man merkt, dass man anders aus einer Veranstaltung herausgeht, als man hineingegangen ist. Und das kann genauso eine Akademie-Tagung sein, ein Gottesdienstbesuch, eine heftige Debatte oder ein inniges Gespräch, ein Kunsterlebnis, ein Spaziergang durch den Wald oder die Stimmung in einer Kirche.

Viele Menschen spüren, dass sich die Welt um sie rasant schnell verändert. Wir nimmst Du dies wahr, was sind Deine Konsequenzen? 

Ich fühle mich dem meistens erstmal einfach ausgeliefert und fühle mich überfordert. Ein Reflex ist, nichts mehr mitkriegen zu wollen, die Schotten dicht zu machen, aber das ist natürlich nicht hilfreich. Ich glaube, sich zu informieren hilft gegen ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Vielen, Neuen, Undurchschaubaren, Vieldeutigen und auch Bedrohlichen, das auf uns einströmt. Aber es kann sicher sehr sinnvoll sein, sich bewusst auf eine Auswahl von Themenbereichen zu konzentrieren. Die Masse des Ganzen überfordert mich.

Welche Handlungsmodelle haben in Zukunft die besten Chancen? 

Alles, was Mitgefühl, Echtheit, Offenporigkeit, Berührbarkeit, Wertschätzung und Klugheit stärkt. Ich finde, es ist eine anspruchsvolle, aber ganz zentrale Frage, wie wir unsere Gesellschaft so gestalten, dass unsere Kinder diese Werte möglichst viel und intensiv erleben können. Und das ist ja kein kognitives Erlernen, sondern etwas, das sie zuerst selbst erleben müssen, um ein Gespür dafür zu entwickeln und es leben zu wollen. Naja und kann kann man weiterfragen: was brauchen Familien, Schulen, Kitas, … um Kinder in dieser Weise zu begleiten.

Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung während der Corona-Pandemie? 

Überhaupt gar keine.

In einer Zeit, in der bisher definierte Berufsbereiche immer mehr ineinander übergehen und sich gemachte Erfahrungen im neuen Kontext verändern: wie politisch und/oder gesellschaftlich muss/darf unsere Arbeit sein? 

Gibt es unpolitische Arbeit? Gibt es irgendetwas, das wir tun, das nicht politisch ist? In allem, was wir tun, wo auch immer, gehen wir auf eine bestimmte Weise mit den Menschen und der Welt, die uns begegnet um. Als Künstler*in, Verkäufer*in, Fußpfleger*in oder Mechaniker*in – ich kann mich wertschätzend oder abschätzig oder scheißegal verhalten – allein damit hat es eine – mehr oder weniger hilfreiche – politische Dimension. Oder?

Was war für Dich eine besonders gute Erfahrung? Was ist Dir im Job besonders gut gelungen? Was war für Dich eine völlig neue Erfahrung? 

Noch einigermaßen frisch ist die Erfahrung einer Akademietagung, die über Silvester vier Tage lang stattfindet und die ich inzwischen zu einer inklusiven Tagung für Menschen mit und Menschen ohne Behinderungen umstrukturiert habe. Das ist eine sehr kreative, kommunikative Tagung. Und dieses inklusive Miteinander, das erstmal ein Experiment war, war eine ganz, ganz bewegende Erfahrung. Da gab es auch Reibungen und Spannungen, vor allem aber zunehmend  ein Sich-Füreinander-Öffnen und daraufhin ganz erfüllende Begegnungen. Ich konnte beobachten, wie auf einmal Gesichter anfingen zu leuchten, wie Körperhaltungen und Verhaltensweisen sich änderten und eine ganz warme Atmosphäre entstand.

Welche Tools arbeiten für Dich sinnvoll, womit erleichterst Du Deinen Alltag? 

Das ist bei mir sehr simpel, da ich nicht sehr technikaffin bin – okay – ohne Smartphone, in dem sich inzwischen mein ganze Leben befindet, wäre ich wie amputiert. Aber ansonsten: Online-Meeting-Tools.

Als mit Corona die Videokonferenzen boomten, dachte ich noch: ich verschiebe so lange meine Veranstaltungen, bis sie wieder in Präsenz stattfinden können, Hauptsache ich muss niemals ein Online-Meeting machen. Ich dachte, dass ich das nicht kann und hatte eine große Antipathie dagegen. Inzwischen möchte ich das nicht mehr missen und finde, dass es so vieles so sehr erleichtert.

Hast Du ein Motto? Wenn ja, welches? 

Es gibt für mich kein Motto, das der erlebten Vielschichtigkeit des Lebens genügen könnte. Vielleicht am ehesten so etwas wie: verzauberungsbereit und offenporig bleiben, Vertrauen üben.

Wo findet man Dich in den sozialen Netzwerken? 

Ich bin da nicht so furchtbar aktiv, aber habe Profile bei Instagram, Facebook, Linked-In und dem, was mal Twitter hieß.

Annette Behnken im Buch:

Demut: https://www.komplett-media.de/de_demut_200558.html

https://chrismon.evangelisch.de/podcast/ist-demut-eine-tugend-52090

Annette Behnken

Links:

Evangelische Akademie Loccum: https://www.loccum.de/

NDR https://www.ndr.de/kultur/radio/podcast4072.html

WzS: https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/wort-zum-sonntag/index.html

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