Verpatztes Reputations-Management in Zeiten größter Sichtbarkeit

Verpatztes  Reputations-Management:

Es ist oft vor Folgen gewarnt worden, seitenlange Artikel beschäftigen sich damit und viele selbsternannte Fachleute haben komplett neue Büros eingerichtet … es geht um das Thema Online-Reputation. Als Online-Profi und Berater beobachte ich täglich die mannigfaltigen Bewegungen im Internet und stelle fest: besser wurde der Zeitgeist nie sichtbar – und: nie besser aufgezeichnet als zu Beginn des 3. Jahrtausends.

Mag sein, dass es immer noch an mangelnder Information bei einzelnen Personen liegt, im Grunde aber dürfte sich herumgesprochen haben, dass das Internet nichts vergisst. Die logische Konsequenz daraus müsste zwangsläufig ein bedachter und geplanter Umgang mit eigenen öffentlichen Äußerungen und Aktivitäten sein – dies jedoch stellt meine Beobachtungen vor einige unlösbare Konflikte.

Es geht um verpatztes Reputations-Management.

Nun, ein kleiner Diskurs:

1.) Kinder lernen, dass es weh tut, wenn sie auf die heiße Herdplatte fassen, das ist ein unmittelbarer Impuls und eine direkte Erfahrung mit der Folge, dass sie dies in Zukunft lassen.

2.) Ein Schüler lernt nicht für einige Fächer, bleibt unter den in ihn gesetzten Erwartungen und muss das Schuljahr wiederholen mit der Folge, dass er ein Jahr später der Erwerbstätigkeit zugeführt werden kann. Ich behaupte mal, das hat er schon während des Jahres geahnt, aber es war im egal oder er hat es einfach nicht hingekriegt.

3.) Ein Politiker behauptet, er hätte von allem nichts gewusst und ihn träfe keine Schuld, was meist gelogen sein dürfte und da dies jeder weiss, muss er zurücktreten. Meist recht unmittelbar – eine demütigende Erfahrung.

Das Internet macht im Grunde nichts anderes. Wir tun es hier aber selber und freiwillig. Verwirrend mag oft eine Zeitverzögerung in den Auswirkungen sein, weil wir nicht verstehen, dass der Unfug, den wir heute verzapfen, ein für alle Mal dokumentiert werden kann (und wird!).

Verpatztes Reputations-Management sozial

Facebook-Äußerungen, Tweets, Einträge in Foren, Artikel und Werbebotschaften werden von Crawlern sorgfältig kartographiert und ergeben im negativen Kontext zusammengesetzt die Landkarte menschlicher Unzulänglichkeiten.

Wir unterminieren unsere erst einmal neutrale Online-Reputation mit Platituden (im günstigen Fall) oder nicht auszumerzenden Verfehlungen, die noch in Jahren aufzeigen können, das wir schlecht geschlafen hatten, als wir einen Kommentar über die Bundeskanzlerin ins Netz gesetzt haben oder „Sieg Heil“ gerufen haben (mit Foto!).

Verpatztes Reputations-Management im Business

Als Moderator einer Xing-Gruppe – einer Fachgruppe – sehe ich mich praktisch täglich genau mit dieser Problematik befasst. Wildfremde Personen, die sich gerade vor 30 Sekunden angemeldet haben, posten unter der Rubrik „Interessante Links“ ihre selbstbezogenen, egoistischen Werbebotschaften, die für niemand

  1. echten Mehrwert besitzen

  2. keinerlei sinnvolle Diskussion anstoßen

  3. langweilig sind und

  4. die Intelligenz der Gruppenmitglieder beleidigen

Bitte, verehrte Reputations-Amateure, ganz davon, dass Sie Diskussion mit Vertrieb verwechseln – was sollen Ihre Kinder später einmal von Ihnen denken? Die wachsen nämlich zu einem großen Teil bereits mit einer anderen Netiquette auf und lachen sich später mal schlapp, wenn sie ihre Vorfahren googeln.

Verpatztes Reputations-Management

Von dem Schaden, den Sie sich medial zufügen, wissen Sie vielleicht selber nichts, aber ihr kritisches Umfeld, ihre Kunden und ihre sozialen Kontakte bilden sich schnell eine Meinung über Sie. Und leider landet man heute noch schneller in einer Schublade menschlichen Verdrängens als früher im reinen Print-Zeitalter. Papier war nämlich noch geduldig – das Netz ist knallhart.

Frank-Michael Preuss, https://www.fmpreuss.de

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3 Gedanken zu „Verpatztes Reputations-Management in Zeiten größter Sichtbarkeit“

  1. Öha, jetzt sollte ich aber genau überlegen, was ich kommentiere! Ich tu’s trotzdem: Klasse! So isses. Schön war’s mit dem geduldigen Papier .. Liest man heute allerdings Archivausgaben von SPIEGEL u.a. gruselt einem auch schon mal. Der Vorteil: Das bleibt fast unentdeckt oder einem inner circle vorbehalten. Das Web zerrt gnadenlos an die Öffentlichkeit.

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