Wir geben uns auf

Ein Weckruf aus der Mitte der Kultur – Matthias Hornschuhs „Wir geben uns auf“

Matthias Hornschuhs „Wir geben uns auf“ ist ein kleines, aber kraftvolles Buch, das sich wie ein intellektueller Weckruf liest – und zugleich als Ermutigung, sich der schleichenden Entwertung geistiger Arbeit zu widersetzen. Als Komponist und Kulturaktivist nimmt Hornschuh die tiefgreifenden Veränderungen einer von Technologieglauben, Effizienz und Ökonomisierung geprägten Zeit präzise ins Visier. Sein Werk ist keineswegs technophob, sondern sucht das differenzierte Gespräch über den Wert des Geistigen in einer Gesellschaft im Wandel.​

Zwischen Diagnose und Appell

Hornschuh schreibt mit Kampfgeist und Verletzlichkeit, aus der Mitte kultureller Praxis, nicht vom sicheren Rand. Sein Ton erinnert oft an die unmittelbare, leidenschaftliche Ansprache klassischer Feuilletons: Klar, verdichtet, und fern jeder Besserwisserei. Künstliche Intelligenz erscheint bei ihm nicht als dämonischer Gegner, sondern als Symptom und Motor eines schon länger laufenden Prozesses – die algorithmische Verdrängung menschlicher Kreativität zugunsten von Effizienz. Diese Diagnose ist nicht neu, aber selten so treffend und pointiert präsentiert.​

Stil und Haltung

Besonders überzeugt Hornschuhs Stil: Seine Sprache ist leidenschaftlich, manchmal fast musikalisch, und bleibt stets respektvoll gegenüber dem Publikum. Argumentieren statt polemisieren ist sein Prinzip. Statt in Technikfeindlichkeit zu verfallen, erkennt er die Chancen der KI – fordert aber, dem Menschen wieder die zentrale Rolle zuzuschreiben. Der Titel „Wir geben uns auf“ ist dabei weniger Anklage als ehrliche Selbstdiagnose und Kritik an der bequemen Preisgabe intellektueller Unabhängigkeit. Hornschuh rüttelt auf, statt zu versöhnen; sein Manifest fordert dazu auf, den Wert geistiger Arbeit neu zu behaupten.​

Stärken und Schwächen

Das Buch beeindruckt durch seine Klarheit und Stringenz: In nur 96 Seiten entwirft Hornschuh eine überraschend dichte Argumentation, die von der gesellschaftlichen Analyse über die Kritik der Ökonomisierung bis hin zu einer ethischen Standortbestimmung reicht. Als Einstieg in die KI-Debatte eignet es sich hervorragend – für alle, die Orientierung suchen, ohne sich durch theoretische Schwere zu kämpfen. Allerdings bleibt die kompakte Form auch Schwäche: Wo man sich konkrete politische Alternativen oder institutionelle Reformansätze erhofft, bleibt der Text skizzenhaft. Wer eine empirische Tiefenanalyse oder einen systematischen Handlungsleitfaden erwartet, wird enttäuscht sein.​

„Wir geben uns auf“ ist ein leidenschaftliches Plädoyer für den Wert des Geistigen und ein idealer Impulsgeber im aktuellen Diskurs um KI und Kultur. Hornschuh setzt starke Akzente, ohne in Alarmismus zu verfallen, und animiert zum kritischen Nachdenken über unsere intellektuelle und gesellschaftliche Zukunft. Für alle, die verstehen wollen, warum geistige Arbeit das Rückgrat unserer Demokratie bildet, liegt hier eine inspirierende, pointierte Lektüre vor.

Verlag: https://www.carl-auer.de/

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